Nach mehr als 15 abstinenten Jahren habe ich vor zwei Jahren das Hobby meiner Kindheit und Jugendzeit wiederentdeckt: Computerspiele.
Dank meinem technikbegeisterten Vater hatte ich, Jahrgang 1981, bereits im Laufe meiner Grundschulzeit Zugriff auf einen PC und auch bald einen eigenen Rechner zur Verfügung. Anfangs war ich noch auf die Schulfreunde mit einem Commodore C64 oder einem Nintendo Entertainment System (NES) und den vielen Spielen dieser Plattformen neidisch, aber spätestens mit dem Erscheinen von Commander Keen im Jahr 1991 wendete sich das Blatt und auch aus dem PC wurde eine richtige Spieleplattform. Die Sidescroller und Jump 'n' Runs von Apogee sowie die Adventures von Lucasfilm Games bzw. Lucasarts und Sierra Online prägten fortan meine Kindheit.
Im Jugendalter drehte sich dann fast alles um die technisch bahnbrechenden Multiplayer-Shooter von id Software und 3D Realms: Doom, Quake, Duke Nukem 3D und deren zahlreiche Nachfolger und Nacheiferer. Doch auch Rollen- und Strategiespiele wie Diablo und Command & Conquer standen auf der Tagesordnung. Regelmäßig wurden im Freundeskreis die PCs an den Wochenenden hin- und hertransportiert, um (damals ohne Internet) diese Spiele gemeinsam über ein lokales Netzwerk spielen zu können. Auch mieteten wir mehrmals ein Dorfgemeinschaftshaus und brachten Ende der 90er Jahre bis zu 80 Spieler bei einer LAN-Party zusammen – damals noch eine echte Hausnummer.
Mit meinem selbstgewählten Umstieg von Windows auf Linux gegen Ende der 90er Jahre reduzierte sich für mich die Auswahl an verfügbaren Spielen und auch mein Interesse am Spielen nahm ab. Zwar wurden einige der damals beliebten Shooter auch für Linux veröffentlicht, aber ich beschäftigte mich mehr und mehr mit dem für mich neuen Betriebssystem Linux sowie den zugrundeliegenden Anwendungen, Protokollen und Technologien des aufkeimenden Internets. Ich fand es zunehmend spannender, unter Linux einen Mail-, DNS- oder Webserver zu konfigurieren und das Zusammenspiel dieser Komponenten zu verstehen, als unter Windows ein neues Spiel auszuprobieren.
Mit dem Beginn meines Studiums der Wirtschaftsinformatik im Jahr 2001 nahm mein Interesse und die für Computerspiele zur Verfügung stehende Zeit immer weiter ab. Zum einen hatte ich neben dem Studium einen interessanten Job bei einem Internetdienstleister. Zum anderen setzte ich mich zusätzlich zu den Studieninhalten weiterhin intensiv mit Linux und unixoiden Betriebssystemen, Internettechnologien, Open Source und Programmierung auseinander und entdecke neues Interesse für asiatische Filme, Kulturen, Sprachen, das Reisen und die Fotografie. Entsprechend verbrachte ich meine Freizeit hauptsächlich mit diesen Themen und Aktivitäten. Soweit ich mich erinnern kann, war Neverwinter Nights aus dem Jahr 2002 wegen der Verfügbarkeit einer Linuxversion eines der letzten Spiele, das ich noch zeitnah nach Erscheinen gespielt hatte. Durch Berufseinstieg im Jahr 2009, Heirat im Folgejahr und Geburt des ersten Kindes im Jahr 2016 nahm zudem auf natürliche Weise meine persönliche Freizeit immer weiter ab und das Thema Computerspiele kam mir gar nicht mehr in den Sinn. Und so beschäftigte ich mich etwa 15 Jahre lang fast gar nicht mehr mit diesem Thema und bekam auch von der Evolution der Spieletechnolgien, Spielegenres und Spielewelten nicht viel mit.
Erst Mitte 2018 wurde mein Interesse an Computerspielen durch vermehrte Berichte über das Thema Cloud Gaming und das Streamen von Spielen wieder geweckt. Dabei galt mein Interesse zunächst der neuen Technologie und nicht den Spielen bzw. dem Spielen selbst. Um sie auszuprobieren, schloss ich ein Probeabo bei Shadow.tech ab, einem Anbieter von Cloud-basierten Gaming-PCs. Über eine latenzoptimierte Remote-Desktop-Anwendung erhielt ich Zugriff auf einen potenten Windows-PC mit leistungsstarker Grafikkarte und konnte dort beliebige Software und Spiele installieren. Doch ich hatte und kannte keine aktuellen Spiele, die einen solchen Cloud-PC auch nur annähernd hätten ausreizen können. Daher meldete ich mich erstmals bei Steam an, der weltweit größten digitalen Onlinevertriebsplattform für Computerspiele.
Auf Steam entdeckte ich für 5 Euro im Angebot die Neuauflage von Doom aus dem Jahr 2016, welche mir zum Ausprobieren der Cloud-Technologie geeignet erschien. Nach den ersten Spielrunden beeindruckte mich jedoch nicht nur die Technologie, welche es mir ermöglichte, ein relativ aktuelles und leistungshungriges Spiel mit meinem 10 Jahre alten Notebook zu spielen. Auch das Spiel selbst mit seinem schnellen Gameplay und der beeindruckenden Grafik zog mich in seinen Bann. Noch bevor ich Doom durchgespielt hatte und der Probemonat von Shadow.tech vorüber war, stand für mich fest, dass ich mehr von diesen beeindruckenden neuen Spielewelten sehen und erfahren möchte.
Wenig Freude bereitete mir der Gedanke, für das Spielen von Linux zurück auf Windows umsteigen zu müssen – um so überraschter war ich über die Erkenntnis, dass dies heute nicht mehr notwendig ist! Durch das Auseinandersetzen mit Steam stieß ich auf die integrierte Kompatibilitätsschicht Proton, welche als Weiterentwicklung bzw. Erweiterung von WINE die Ausführung von Windows-Spielen unter Linux ermöglicht. Während vor 20 Jahren mit WINE und etwas Glück gerade einmal Microsoft Word unter Linux zum Laufen gebracht werden konnte, funktionieren heute viele topaktuelle Windows-Spieletitel ohne merklichen Performanceverlust bereits wenige Tage oder Wochen nach Veröffentlichung über Proton auch unter Linux.
Der Kauf eines neuen Rechners war ohnehin bereits beschlossene Sache, aber aus dem geplanten Business-Notebook wurde nun ein Gaming-PC. Nach 10 Jahren hatte mein altes Notebook auch als Arbeitstier längst ausgedient. Nach den guten Erfahrungen mit meinem Dell Latitude E6400 sollte es ursprünglich wieder ein Business-Notebook von Dell oder ggf. auch von Lenovo werden. Da diese jedoch nur begrenzt spieletauglich sind und die monatlichen Abopreise für einen zusätzliches Cloud-Gaming-Abo damals noch recht hoch waren, entschied ich mich Ende 2019 kurzerhand gegen ein neues Notebook und für den Zusammenbau eines individuellen Gaming-PCs.
Ein spannender Seiteneffekt dieses Vorhabens war, dass ich mich nach vielen Jahren wieder einmal mit Hardwarekomponenten auseinandersetzen musste und viel über die aktuellen Prozessor- und Grafikkartengenerationen lernen konnte. Letztendlich richtete ich mich bei der Hardwareauswahl dann aber weitgehend nach den Empfehlungen der c't-Redaktion für den "optimalen PC". Bei der Grafikkarte hörte ich auf die vielen Stimmen aus der Linux-Gaming-Community und entschied ich mich aufgrund der guten quelloffenen Linux-Treiber erstmals für ein Radeon-Modell von AMD anstatt für eine Geforce-Karte von Nvidia. Das Spielen aktueller Titel unter Linux funktioniert damit tatsächlich perfekt!
Seit der Anschaffung meines neuen Computers im Dezember 2019 habe ich nun schon einige Spiele durchgespielt: Sowohl aktuelle Titel als auch alte Klassiker aus meiner Jugendzeit. Das Gameplay, die Spielewelten und Grafiken von aktuellen Titeln wie Metro Exodus und Doom Eternal sind extrem beeindruckend. Aber auch viele der oben bereits erwähnten Klassiker machen mit den richtigen Modifikationen auch heute noch sehr viel Spass.
Erstaunlicherweise gibt es noch immer große und aktive Fangemeinden für das ursprüngliche Doom von 1993 und die anderen genannten Spiele. Dies lässt sich wohl damit erklären, dass diese Spiele zu ihrer Zeit zum einen tatsächlich bahnbrechend waren und damit bis heute einen Kultstatus innehalten. Zum anderen aber auch aufgrund der Tatsache, dass sie von Haus aus auf Erweiterbarkeit durch Fans ausgelegt waren und mit der Zeit auch die Quelltexte von vielen dieser Spiele von den Entwicklern unter Open-Source-Lizenzen freigegeben wurden. Dies animierte Hobbyprogrammierer, viele dieser Spiele mit modernen Grafiken auszustatten (sogenannte High Resolution Packs oder Upscale Packs) und auf moderne Betriebssysteme und Hardware zu portieren (sogenannte Source Ports).
Ein berufstätiger Vater, der mit 40 Jahren Computerspiele spielt? Beim Verfassen dieses Textes höre ich innerlich schon die Stimmen der Kritiker. Leider gibt es immer noch Menschen, in deren Augen Computerspiele nur etwas für kleine Kinder und insbesondere für kleine Jungs sind. Einmal abgesehen davon, dass vermutlich genau diese Menschen mindestens die gleiche Zeit mit passiver Berieselung vor dem Fernseher verbringen wie Spieler meines Alters aktive und kommunikative Spielzeit vor dem Computer, sind Computerspiele schon längst kein Kinderkram mehr.
Computerspiele gab und gibt es schon immer für jedes Alter und jeden Geschmack. Die Spieleindustrie ist nach dem Fernsehen inzwischen die weltweit größte Unterhaltungsindustrie – größer als Musik- und Filmindustrie zusammen. Spieleproduktionen können mittlerweile mehr als 100 Millionen US-Dollar kosten, und auch die Zusammensetzung der Spieler selbst hat sich in den letzten 10 bis 20 Jahren verändert: So liegt der Frauenanteil inzwischen bei ca. 46% und das weltweite Durchschnittsalter von Spielern bei etwa 33 Jahren – in Deutschland sogar bei ca. 37,5 Jahren, tendenz steigend. Selbst die rennomierte Unternehmensberatung Accenture beschäftigt sich mit dem Thema Gaming und titelte jüngst: Gaming: The next super platform.
Was mir persönlich in den vergangenen Monaten neben dem eigentlichen Spielen sehr viel Freude bereitet hat, war der damit einhergehend wieder auflebende regelmäßige Kontakt zu alten Schulfreunden. Denn auch sie, allesamt Anfang oder Mitte vierzig, haben – und auch das hat mich zunächst überrascht – mit dem Spielen entweder nie ganz aufgehört oder ebenfalls wieder neu angefangen. Und so rückte bei gemeinsamen Mehrspielerpartien mit simultanem Audiochat das eigentliche Spiel aufgrund der interessanten Gespräche ein manches mal sogar ganz in den Hintergrund.
In meinem Blog möchte ich zukünftig neben Reisefotos auch meine Erfahrungen zum Thema Gaming und Linux festhalten und teilen. Auch wenn beides thematisch weit auseinander liegt, möchte ich keine zwei separaten Blogs führen und wünsche mir Verständnis meiner Leser, die sich für das Thema Computerspiele nicht interessieren. All zu häufig werde ich über dieses Thema vermutlich ohnehin nichts zu berichten haben, denn ich plane weder Spiele- noch Hardwarerezensionen– dafür gibt es bereits zahlreiche gute und etablierte Quellen wie Quake Haus, GmanLives, GamingOnLinux, Phoronix sowie die Twitter-Accounts der vielen prominenten Spieleentwickler. Vielmehr möchte ich in Notizen festhalten, wie ich bestimmte Spiele (bei mir unter Gentoo Linux) installiert und eingerichtet habe. Gerade bei den älteren Klassikern war dies oft mit erheblicher Recherche und Ausprobiererei verbunden, und diese Informationen möchte ich nicht ein zweites Mal zusammentragen müssen. Und vielleicht helfen sie auch anderen Interessierten.
Für Stammleser möchte ich an dieser Stelle abschließend anmerken, dass ich zwar noch viele unveröffentlichte Reisefotos auf der Festplatte liegen habe, mir in den letzten Monaten aber ehrlicherweise die Motivation fehlte, diese für das Blog zu sortieren und zu veröffentlichen. Hinzu kommt, dass der Fokos meiner Fotos der letzten Jahre mehr meinen Kindern als Orten und Sehenswürdigkeiten galt. Und diese Kinderfotos möchte ich zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre meiner Kinder hier nicht massenhaft öffentlich zugänglich machen.
Kommentar verfassen